Diesen Text zu schreiben, kostet mich etwas Ăberwindung. Ich frage mich warum? Vielleicht liegt es am unangenehmen GefĂŒhl, das aufkommt, wenn ich mir vorstelle ein Problem zu beschreiben, zu dem ich ja selbst auch beitrage. đ đđŒ đđŒ Da bahnen sich SchamgefĂŒhle an. Zurecht, wie ich finde. Denn wie kann es sein, dass ich ein Bachelor-Studium in Kommunikationswissenschaften und Medienforschung absolviert habe und mich trotzdem tĂ€glich nur wenige Minuten mit Nachrichten beschĂ€ftige????? đ€šđ€šđ€š Das bestĂ€tigt sogar das Fög der UniversitĂ€t ZĂŒrich im Jahrbuch «QualitĂ€t der Medien 2022», dessen Erkenntnissen zufolge junge Erwachsene auf ihren Smartphones lediglich sieben Minuten Nachrichten am Tag konsumieren.
Wenn ich durch die Startseite vom Tagesanzeiger, Blick, Watson und 20Minuten scrolle, spricht mich einfach nichts an. Emotionslose Stock- und Pressebilder, Textlawinen und wenn irgendwo ein Video lĂ€uft, ist es nervige Werbung. Es ist, wie wenn man vor dem MenĂŒ in der Kantine steht und dann merkt, dass man auf keines der Gerichte so wirklich Lust hat. Immer wenn man in die Kantine geht, hat man ohnehin schon die Erwartung, dass dort nichts «Gluschtiges» auf einen wartet. FĂŒr irgendein MenĂŒ entscheidet man sich schlussendlich, weil man ja irgendwas zu sich nehmen muss.
Und so gehtâs mir auch bei Nachrichtenangeboten. Mit dem Unterschied: Statt dass ich mich fĂŒr einen Nachrichtenartikel entscheide, gehe ich nach wenigen Sekunden einfach wieder aus der App raus. đ€·đ»ââïž Es winken nĂ€mlich so viele andere, spannende Medienangebote, denen ich mich gerne, oder eben noch viel lieber, zuwende.
News im Radio hören oder zum Unterhaltungs-Podcast wechseln? 10vor10 oder noch eine Folge Bridgerton? Ehrlich gesagt, ich kenne meine Antwort. Dass auch YouMedia-Host Shianne MĂŒhe damit hat interessante Nachrichteninhalte zu finden, gibt sie hier zu.
Und so kommtâs, dass gemĂ€ss dem «Digital News Report 2023» des Reuters Institute ein ErklĂ€rungsgrund fĂŒr die News Avoidance die FĂŒlle an KanĂ€len ist, die den Nutzer:innen mittlerweile zur VerfĂŒgung steht. Nutzer:innen sind zunehmend mit der Auswahl ĂŒberfordert und wenden sich vorĂŒbergehend oder dauerhaft ab. Die selektive Nachrichtenvermeidung wird durch die schwierigen Zeiten, die wir durchleben, zusĂ€tzlich verschĂ€rft. Â
Statt Nachrichten zu lesen, schaue ich also Youtube, statt Radio höre ich Musik und statt Push-Meldungen klingeln bei mir Snapchat-Benachrichtigungen. Im Rahmen der eigenen Mediennutzung klingen diese Vermeidungstechniken vielleicht harmlos. Denkt man diese jedoch im grossen Rahmen der Gesellschaft, lĂ€sst sich die Problematik erkennen. Eine schwach oder sogar uninformierte Gesellschaft bedroht die Demokratie. Denn mit News unterversorgte Menschen interessieren sich weniger fĂŒr Politik, nehmen weniger am politischen Leben teil und vertrauen den politischen Institutionen weniger â das zeigt auch das Fög der UniversitĂ€t ZĂŒrich im Jahrbuch «QualitĂ€t der Medien 2022».Â
ZurĂŒck zur Mensa-Metapher. FĂŒr ein MenĂŒ muss ich mich entscheiden, weil ich ja irgendwas essen muss. Aber fĂŒr ein Informationsangebot kann ich mich nicht entscheiden? Warum? Denn wenn ich so darĂŒber nachdenke, muss ich mich ja auch irgendwie informieren. Aber oft fĂ€llt mir das schwer, weil ich mich von Nachrichten ĂŒberflutet fĂŒhle. Dazu habe ich auch schon ein Video gemacht, das du dir hier anschauen kannst.
Wenn ich etwas weiss, dann dass es mir wichtig ist, mitreden zu können. Ich möchte zu gesellschaftlichen Diskussionen beitragen, ich möchte Argumente und Gegenargumente zu politischen Entscheiden kennen und ich möchte ZusammenhĂ€nge verstehen, um die richtigen Fragen stellen zu können. Das alles möchte ich und theoretisch stehen mir auch alle Informationen dafĂŒr zur VerfĂŒgung. Aber so wie das Informationsangebot aktuell aussieht, fĂ€llt es mir trotzdem schwer, mich dafĂŒr zu interessieren. :( Dabei ist es doch ein Privileg, sich frei informieren zu können und vertrauenswĂŒrdige Quellen zu kennen, die nicht vom Staat ĂŒberwacht werden. Ich glaube, man merkt, dass mein Gewissen hier mit meinem inneren Schweinehund debattiert.
Meiner Meinung nach kommen Informationsangebote oft trocken, textreich und mit negativen Schlagzeilen daher, weshalb ich mich nur schwer dafĂŒr begeistern kann. Obwohl es mir wichtig ist, informiert zu sein, finde ich es schwierig, interessante Informationsangebote zu finden, mit denen ich mich identifizieren kann und nach denen ich mich nicht schlecht oder traurig fĂŒhle. Also tendiere ich unbewusst dazu, diese Inhalte zu meiden. Bei unbewusster Nachrichtenvermeidung spricht man ĂŒbrigens von «Nachrichtendeprivation». Die Befunde aus dem Jahrbuch «QualitĂ€t der Medien 2023» belegen, dass in der Schweiz 56,4 Prozent der 16- bis 29-JĂ€hrigen als «News-depriviert» gelten und somit von einer Unterversorgung an Nachrichten geprĂ€gt sind. Wenn das Tagesgeschehen von «News-deprivierten» wahrgenommen wird, dann fast ausschliesslich ĂŒber Social Media (74,6 %) oder Newssites (39,2 %), wie das Jahrbuch «QualitĂ€t der Medien 2024» berichtet. FĂŒr 13,4 % der Befragten in der Schweiz dienen Social Media als Hauptinformationsquelle, womit erstmals seit Beginn der Befragung 2016 der Anteil von Social Media in der Schweiz abnimmt.
Wenn ich an die Zukunft denke, bereitet mir das Sorgen. Denn ich stecke genau in dieser nachrichtendeprivierten Generation, obwohl ich es eigentlich besser weiss. Vor dem Hintergrund, dass MedienhĂ€user derzeit neue Wege suchen, die junge Zielgruppe kĂŒnftig als Leserschaft zu binden, stellt sich mir die Frage, wie Journalismus fĂŒr Leute wie mich möglichst attraktiv angeboten werden kann. Deshalb habe ich mit Franz gesprochen, dem Initianten und Co-Founder von YouMedia.Â
(Jenny) Franz, warum scheint es fĂŒr die klassischen Medien so schwierig zu sein, die junge Zielgruppe zu erreichen?Â
(Franz) DafĂŒr gibt es unterschiedliche GrĂŒnde. Zum einen sind viele junge Menschen schlicht nicht mehr am TV-Schauen, Radio-Hören oder am Zeitungsartikel-Lesen. Sie bewegen sich primĂ€r auf Social Media und beziehen dort ihre Informationen. Zum anderen geht die Vorstellung, was denn wichtige News sind, die man kennen sollte, auseinander. Das heisst, dass die Jungen sich vor allem fĂŒr das interessieren, was direkt mit ihrem Leben zu tun hat und auch was ihnen nĂŒtzt. Hinzu kommt die Vermittlung. Wenn Informationen von oben herab vermittelt werden, dann zappen viele Medienkonsumenten, nicht nur junge, weg. Wie siehst Du das denn? Wie mĂŒssten Informations-Medien denn aussehen, die Du als junger Mensch konsumierst?
(Jenny) Das ist aktuell die Frage aller Fragen, oder? Ich wage daher gerne mal einen Beschreibungsversuch. Weil mich zu viele negative Schlagzeilen eher davon abhalten Informations-Medien zu konsumieren, mĂŒsste sicherlich der Tonfall etwas hoffnungsvoller oder konstruktiver sein. Manchmal habe ich auch das GefĂŒhl, dass ich nicht zur Zielgruppe von Informations-Medien gehöre, weil die Inhalte optisch und inhaltlich nicht in meiner âSpracheâ geschrieben sind. WĂ€hrend Textlawinen mich eher davon abhalten etwas zu lesen, finde ich Grafiken, Illustrationen, Videos und kompakte Text-PĂ€ckli spannender. Klar lassen sich bestimmte Geschichten nicht kurz erzĂ€hlen, aber wieso nicht gleich einen mehrteiligen Podcast daraus machen? Ich lasse mir zum Beispiel gerne die Artikel der Republik vorlesen, wĂ€hrend ich nebenbei etwas Produktives mache, was meine Aufmerksamkeit nicht zu sehr beansprucht. Vielleicht gibt es auch eine Möglichkeit, Gamification miteinzubeziehen. Denn mir ist meine Informiertheit zwar wichtig, aber ich denke mir nicht «Ahh, schon seit vier Tagen habe ich mich nicht mehr um meine Informiertheit gekĂŒmmert». Aber wenn ich einen Streak aufrechtzuerhalten hĂ€tte, dann wĂŒrde ich mich mehr darauf konzentrieren, mich zu informieren.Â
Ich frage mich, was es braucht, damit diese Kluft zwischen dem aktuellen Stand und einer innovativen Form der Medien geschlossen wird. MĂŒssen wir jungen Menschen mehr mitreden und unsere BedĂŒrfnisse mitteilen oder braucht es mehr Geld? Mehr Vertrauen? Einen guten Mix aus allem?Â
(Franz) Einen guten Mix aus allem, glaube ich. Und es gibt nicht die EINE Lösung. Wir von YouMedia zum Beispiel versuchen es mit verschiedenen Hebeln. Auf Social Media mit euch als junge Hosts, die andere junge Menschen auf Augenhöhe abholen. Und dann mit dem Ansatz, dass man statt nur Medien zu konsumieren, selbst zum Medienmacher, zur Medienmacherin wird. Dies erreichen wir mit der Jugendmedienwoche YouNews, bei der Jugendliche in MedienhĂ€user gehen können und dort recherchieren, Interviews machen, Artikel schreiben oder auch Radio- und TV-BeitrĂ€ge herstellen können. Und wir streben es mit dem Jugendmedienpreis YouMedia Award an, der in ein paar Wochen spruchreif sein sollte. Wie schĂ€tzt Du Deine Generation Z ein. Ist das was? Als Host auf Social Media hast Du ja bereits einige Monate Erfahrung.Â
(Jenny) Meine Generation ist bekanntlich voller Tatendrang und grundsĂ€tzlich stark darum bemĂŒht, problematische ZustĂ€nde, die uns betreffen, verĂ€ndern zu wollen. Hier spreche ich zum Beispiel vom Klimawandel oder von politischen Entscheiden. FĂŒr den Einsatz meiner Generation ist es entscheidend, dass wir uns darĂŒber im Klaren sind, wie wir von diesen Herausforderungen betroffen sind. Ich bin mir jedoch nicht sicher, inwieweit sich meine Generation der Folgen von Nachrichtendeprivation und des RĂŒckgangs der klassischen Medien bewusst ist.
Eine zentrale Aufgabe von YouMedia sehe ich daher darin, die Folgen fĂŒr die Gesellschaft und die Dringlichkeit von VerĂ€nderungen aufzuzeigen, ohne dabei belehrend oder alarmierend zu wirken. Diese Aufgabe ist ein Balanceakt, dem wir Hosts uns aber gerne stellen.