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Aargauer Zeitung
Wie erkennt man online einen PĂ€dokriminellen?
Im digitalen Raum lauern viele Gefahren, insbesondere fĂŒr Kinder und Jugendliche. Thomas Zehnder ist Kinder- und Jugendinstruktor bei der Kantonspolizei ZĂŒrich. Dazu gehört der Verkehrsunterricht in der Primarschule, aber auch KriminalprĂ€vention ab der 4. Klasse. In diesem Rahmen thematisiert Zehnder mit Schulklassen auch die digitalen Bedrohungen.
Herr Zehnder, was bedeutet KriminalprÀvention im Rahmen der Schule?

Ab der 4. Klasse gehen meine Kolleg:innen und ich in Schulklassen und reden mit den SchĂŒler:innen ĂŒber StrafmĂŒndigkeit, Konsequenzen von Straftaten, Social Media, Mobbing, Pornografie, Sexting und PĂ€dokriminalitĂ€t. Das machen wir im Kanton ZĂŒrich seit acht Jahren und machen sehr gute Erfahrungen damit.

Thomas Zehnder im Einsatz.
Was ist das Ziel ihrer Arbeit?

Ich bin Instruktor fĂŒr PrĂ€vention, das heisst, ich versuche, Straftaten und Probleme zu verhindern. Indem ich mit den Klassen ĂŒber Sexting spreche, zeige ich ihnen, wie schnell daraus Kinderpornografie entstehen kann. Sie sollen lernen, dass es wichtig ist, sich gut zu ĂŒberlegen, was man auf Social Media postet. Ich habe drei Punkte, die ich immer anspreche: Erstens, was einmal im Internet ist, bleibt fĂŒr immer dort. Zweitens sollte man sich fragen, wer die Fotos und Videos in die Finger bekommen könnte. Und drittens, als Grundregel, sollte man online immer respektvoll sein. Cybermobbing ist ebenfalls ein Thema, das wir behandeln. Bei den sozialen Medien kommt dann auch das Thema PĂ€dokriminalitĂ€t auf. Ich möchte den Kindern und Jugendlichen beibringen, wie sie solche Personen online erkennen können.

Wie erkennt man denn online einen PĂ€dokriminellen?

HĂ€ufig lassen sich Versprechungen beobachten, zum Beispiel verspricht ein Erwachsener einem Jugendlichen die neusten, angesagten Schuhe. Als Gegenleistung wird dann eine sexuelle Handlung verlangt. Oder die Formulierung „Es bleibt unser Geheimnis, das darfst du niemandem sagen“, da sollten die Alarmglocken lĂ€uten. In der ersten Oberstufe machen wir einen weiteren, etwas grösseren Input. Da grenzen wir auch zwischen PĂ€dophilie und PĂ€dokriminalitĂ€t ab. Das ist wichtig, denn man kann nicht alle in einen Topf werfen. In ZĂŒrich können sich Menschen mit pĂ€dophilen Neigungen Hilfe holen. Das Ziel ist, dass sie ihre Neigungen kontrollieren können und nicht straffĂ€llig werden. 

In diesem Video der Kantonspolizei ZĂŒrich zeigt Andrea Spescha wie er vorgeht, um Kinder vor Sexualdelikten zu schĂŒtzen und was typische Verhaltensmerkmale von StraftĂ€tern sind. YouTube: Kantonspolizei ZĂŒrich
Welche Anlaufstellen haben Kinder und Jugendliche in der Schweiz?

In erster Linie empfehle ich, mit den Eltern zu reden. Alternativ kann man auch zu einer Lehrperson gehen, der man vertraut. HĂ€ufig gibt es in Schulen auch Schulsozialarbeiter:innen, auf die man zugehen kann. Geht das nicht, gibt es in der Schweiz die Telefonnummer 147, die von Pro Juventute betreut wird. Man kann dort anrufen und mit jemandem reden. Pro Juventute hat eine gute Website mit Infos zu allen möglichen Jugendthemen. Geht es um KriminalitĂ€t, sollte unbedingt auch die Polizei eingeschaltet werden. Die Website www.no-front.ch, unter anderem von der Kantonspolizei ZĂŒrich betreut, informiert ĂŒber Themen, die die Jugend beschĂ€ftigt, darunter Nikotin, Waffen und eben auch Pornografie und Social Media. 

Im Ausland haben in den letzten Jahren mit KĂŒnstlicher Intelligenz gemachte Nacktbilder fĂŒr Probleme gesorgt, auch an Schulen. Beobachten Sie das auch in der Schweiz?

In Spanien und Korea gab es solche VorfÀlle, in der Schweiz ist mir das bisher nicht begegnet. Die grösste Gefahr bei Nacktbildern ist unverÀndert Sexting und dass die Person, der ich ein Foto schicke, dieses dann weiterverbreitet. Daraus entsteht schnell Mobbing.

Was empfehlen Sie SchĂŒlerinnen und SchĂŒler, um Probleme mit KI zu vermeiden?

Ich ermutige die SchĂŒler:innen, KI-Tools auszuprobieren und zu lernen, was möglich ist. So baut man ein GespĂŒr und Bewusstsein auf, wie einfach es ist, Bilder und Videos zu verĂ€ndern oder neu herzustellen. Sie sollen lernen, dass man vorsichtig sein sollte, was man in den sozialen Medien teilt, denn das liefert Stoff fĂŒr Fakes.

Dieses Beispiel zeigt ein harmloses Selfie einer Jugendlichen. Daraus hat ein Fremder ein Deepfake-Nacktbild entwickelt und sie damit erpresst.
Inwiefern ist Pornografie ein Problem?

Der Grossteil der Kinder und Jugendlichen kommt auf WhatsApp das erste Mal mit Pornografie in Kontakt. Oft schicken Jugendliche ein Foto oder Video herum oder schicken es in einen Gruppenchat. Kinderpornografie ist ein anderes Problem, wenn Kinder und Jugendliche Fotos von sich in den sozialen Medien teilen. Man weiss nie, wer diese Inhalte findet. Deshalb sollte man erstens vorsichtig sein, was man online stellt, aber auch Schutzfunktionen nutzen, beispielsweise Profile auf privat stellen.

Wie viel wissen die SchĂŒlerinnen und SchĂŒler ĂŒber diese Themen?

In den letzten Jahren wurde es einfacher und auch angenehmer, mit Jugendlichen ĂŒber Themen wie Sexting zu reden. Sie lachen weniger und bleiben ernster, sie gehen reifer damit um, als ich das noch vor einigen Jahren erlebte. HĂ€ufig glauben die SchĂŒler, alles zu wissen, wissen dann aber erschreckend wenig. Aber sie haben viel Erfahrung, das merkt man, oft auch ein gutes FeingespĂŒr fĂŒr PĂ€dokriminelle. Das ist super! Ich sage ihnen immer, sie sollen auf ihr BauchgefĂŒhl hören. Das tĂ€uscht fast nie.

Was können Eltern tun, um ihren Kindern zu helfen?

Das Wichtigste ist, Interesse zu zeigen. Interesse daran, was die Kinder machen und was sie umtreibt. Falsch finde ich, die Kinder zu ĂŒberwachen. Das ist kontraproduktiv, denn dann machen sie unerwĂŒnschte Sachen heimlich. Eltern sollten ihre Kinder nicht ĂŒberbehĂŒten. Ich finde es nicht gut, wenn Eltern die Handys ihrer Kinder kontrollieren. Mit Kindern reden bringt viel mehr. Kurz gesagt: Eltern sollten hinschauen und, wenn nötig, helfen! Oft merkt man Kindern bzw. Jugendlichen an, wenn etwas nicht in Ordnung ist. Eigentlich sollten Eltern genauso geschult werden wie Kinder. 

Wie machen Sie das bei Ihren eigenen Kindern?

In erster Linie genau so, wie ich es eben beschrieben habe. Ausserdem probiere ich, ein gutes Vorbild zu sein. Meine Kinder sollen merken, dass ich keine Geheimnisse vor ihnen habe. So hoffe ich, dass sie merken, dass sie auch vor mir keine Geheimnisse haben mĂŒssen und mit mir ĂŒber alles reden können.

Arbeiten Sie auch mit Eltern zusammen?

Ja, im Kindergarten mache ich Einschulungselternabende. Da rede ich ĂŒber Themen wie Pornografie und PĂ€dokriminalitĂ€t. Vielen Eltern ist nicht bewusst, was passieren kann, wenn sie die ganze Zeit Fotos und Videos ihrer Kinder auf Social Media posten. Damit meine ich, wer diese Inhalte sehen und allenfalls missbrauchen kann.

Was empfehlen Sie Lehrpersonen?

Lehrpersonen sollten Vertrauen in die Kinder haben und mit ihnen aktiv ĂŒber wichtige Themen sprechen, damit die SchĂŒler:innen keine Hemmungen haben. Zuhören ist zentral. Es kann fĂŒr Kinder und Jugendliche wichtig sein, mit der Lehrperson zu reden, wenn sie sich schĂ€men, das mit ihren Eltern zu tun.

Thomas Zehnder arbeitet als Jugendinstruktor bei der Kantonspolizei ZĂŒrich und klĂ€rt Kinder und Jugendliche ab der 4. Klasse ĂŒber die Gefahren und Risiken im Internet auf. www.jugendundmedien.ch
Wie arbeiten Sie mit Schulen und anderen Institutionen zusammen?

Oft greifen die Lehrpersonen mit ihren Klassen die Themen, die ich mit ihnen besprochen habe, einige Wochen spĂ€ter nochmals auf. Das ist sehr wichtig und hilft, dass die wichtigen Punkte in Erinnerung bleiben. Die Schulsozialarbeiter:innen sind besonders gefragt als Anlaufstellen fĂŒr die Jugendlichen, auch weil sie einer Schweigepflicht unterstehen. Wir arbeiten neben den Schulen mit Pro Juventute zusammen, sie sind ein wichtiger Partner fĂŒr die polizeiliche PrĂ€vention. 

Sie sind in der PrÀvention tÀtig. Trotzdem: Falls es zu einem Ernstfall kommt, wie sollen Jugendliche und ihre Eltern reagieren?

Das Wichtigste: keine Hemmungen haben! Kinder warten tendenziell zu lange, bis sie ihren Eltern oder jemand anderem von einem Problem erzĂ€hlen. Je frĂŒher Hilfe geholt wird, desto mehr kann verhindert werden. Was ich betonen möchte, ist der Unterschied zwischen Instruktion und Intervention. Ich bin nur fĂŒr die Instruktion zustĂ€ndig, das Eingreifen bei ErnstfĂ€llen ĂŒberlasse ich meinen Kollegen von der Intervention. Ich mag es, lediglich prĂ€ventiv zu arbeiten, da ich so eine Vertrauensperson fĂŒr die SchĂŒlerinnen und SchĂŒler sein kann. Ich betreue Klassen teilweise ĂŒber mehrere Jahre und gehe mehrmals vorbei. Es ist schon vorgekommen, dass Jugendliche, die mich aus einer frĂŒheren Instruktionslektion kannten, auf mich zugekommen sind und mir ein Problem anvertraut haben. Das finde ich sehr schön.Â